Die Asymmetrie der Stille
Elke Dreier, Florian Ecker, Tina Haase, Ute Heim und Florian Lechner
Ausstellung vom 9. Februar bis 16. März 2025
„Die Asymmetrie der Stille“ lautet der Titel dieser Ausstellung in der Galerie Markt Bruckmühl. Wir wissen, was „Asymmetrie“ ist, und auch „Stille“ vermögen wir zu definieren. Was aber ist die Asymmetrie der Stille? Hier werden zwei Begriffe aneinander gereiht, die auf den ersten Blick nicht zueinander passen. Fünf Künstler haben diese Vorgabe angenommen und versucht, sie künstlerisch umzusetzen. Das ist Tina Haase, langjährige Professorin an der Technischen Universität München, seit 2024 emeritiert, zusammen mit vier ihrer ehemaligen Assistenten: Elke Dreier, Florian Ecker, Ute Heim und Florian Lechner. Tina Haase benutzt Alltagsgegenstände, die bereits ein Leben hinter sich haben und denen sie mit Fantasie und Gestaltungsideen ein zweites einhaucht. Aus metallenen Blumenkörben baut Tina Haase eine freistehende Skulptur, die zwar leer und triste dasteht, aber sehr schnell die Vorstellung von üppig gefüllten Geranienkörben aufruft. Vorstellungskraft ist gefragt und Fantasie. Auch Büromaterialien finden in Haases Arbeiten Verwendung, Heftstreifen, zu einem großflächigen Tableau zusammenmontiert, weisen mit ihren Clips in unterschiedliche Richtungen. Die ganze Tafel ist in gedämpftem Grün eingefärbt, zusätzlich setzen dunkler grün gemalte Elemente ihre Zeichen. Der Betrachter sinniert bei dieser Arbeit über das woher und wohin. Mehrere große Acrylbilder von Tina Haase sind im Haus verteilt, ruhige Kompositionen, die das Thema „Stille“ im Geiste imaginieren. Der Ausruf einer Besucherin „Ist das zauberhaft!“ trifft auf ein Wandgebilde (Titel „Flaum“), das aus nichts anderem besteht als aus zerknitterten Bonbonpapierchen. Tina Haase hat diese Papierchen zu einem ca 30 cm Durchmesser betragenden Rondell zusammengefügt, das einen besonderen Platz für sich alleine im kleinen Kammerl bekommen hat. Das von der Seite einfallende Sonnenlicht spielt seine Rolle mit: das durchscheinende Papier glitzert und funkelt und erhält den Status einer Preziose. Ute Heims Arbeit „Take me Home to my Boots and Saddle“ ist eine Video-Installation mit der Dauer von 65 Minuten. Die Künstlerin hat einen Planwagen nach dem Muster der Wagen gebaut, die einst die leeren Landstriche Amerikas nach Westen durchquerten. So lässt sich auch der Titel des Westernsongs erklären. Aber bei genauerem Hinsehen und -hören verbirgt sich eine weitere Geschichte dahinter: Ute Heim hat ihre frühe Kindheit am Todesstreifen entlang der Grenze Thüringens verbracht, dort wo damals zwar Vögel und Kleintiere in großer Zahl lebten, aber keine Menschen. Die Mahnungen der Großmutter im Ohr, den Landstreifen zur Zonengrenze nicht zu betreten, hat sie sich als Kind zwar nicht ängstlich, aber immer vorsichtig verhalten. Ihre Reise verbindet zwei völlig unterschiedliche Ebenen zu einer: das Unterwegssein und den Gesang. Die gelernte Geigenbauerin singt die Winterreise von Schubert mit allen Strophen. Und dass sie zwischendurch dazu auf der Mundharmonika spielt, schlägt wiederum die Brücke zum Leben der Einwanderer in dem vielversprechenden Land Amerika. Florian Ecker arrangiert unter dem Titel „Skulpturales Bild“ eine Vielzahl von flachen Platten aus Carrara-Marmor auf dem Fußboden. Sie haben die Form von überdimensionalen Puzzlesteinen und sind mit antik anmutender Farbe getönt. Ein kleiner Stapel, mit Abstand an der Seite liegend, impliziert, dass das Arrangement noch nicht fertig ist. Genau wie Ute Heim durchbricht Ecker die Stille: bei ihm ist es ein Plattenspieler, dessen Arm über eine runde Marmorscheibe kratzt. Elke Dreier thematisiert mit ihren Ballettstangen die Bewegung. Leicht gebogen „schlängeln“ sich die Stangen durch den Raum, der geradlinige Verlauf würde das Auge nicht reizen. So ist Bewegung umgesetzt, auch eine senkrecht angebrachte Stange nimmt ihren Weg. Die Anschnitte der Stangen zeigen deren aufwendige Herstellung: sehr dünne Sperrholzelemente, mehrfach übereinander gefügt und verleimt, absolut verzugsfrei. Absolut also für das geeignet, wofür sie gedacht sind: Halt zu geben im psychischen wie im physischen Sinn. Und Florian Lechner hat die neueste Technik für seine Plastiken eingesetzt - die Nennung „Plastiken“ ist bewusst gewählt im Gegensatz zu Florian Eckers „Skulpturen“. Mit einem 3-D-Drucker erzeugt Lechner aus Plastikmasse Schicht um Schicht Würfel, die er in den Raum setzt. Eine Seite der Würfel ist metallisiert, so dass sich der umgebende Raum darin spiegelt. Die Objekte tragen Titel aus Ziffern und knappe Angaben zur Herstellungsweise. Und vielleicht finden wir in dieser miteinander konkurrierenden Verschiedenartigkeit aller Darstellungen eine Erklärung für die „Asymmetrie der Stille“. Ute Bößwetter
Angeregt durch die Auseinandersetzung mit dem heimischen, aber auch dem öffentlichen Charakter des Hauses, zeigen Elke Dreier, Florian Ecker, Tina Haase, Ute Heim und Florian Lechner künstlerische Arbeiten in der Galerie Markt Bruckmühl, die sich einer gefühlten, aber verschobenen Symmetrie annähern.
Symmetrie beschreibt eine räumliche Eigenschaft, die häufig erst durch eine Verschiebung oder einen Gegenpol wahrnehmbar wird. Das Ausloten von Symmetrie, die Materialität von Stille und das Austarieren von Balance werden in unterschiedlichen Medien erfahrbar. So verortet die Ausstellung ein Gefühl, das sich erst durch räumliche Erfahrung manifestiert.
Elke Dreier beschäftigt sich mit dem menschlichen Körper in Bewegung. In ihren Skulpturen und Anleitungen schafft sie physische Zugänge, die erweiterte digitale Realitäten reflektieren. Florian Ecker arbeitet mit Stein als Material, das er künstlerisch transformiert. Mit Schwerem schafft Florian Ecker so luzide, stille Leichtigkeit. Tina Haase kombiniert, verdichtet und überlagert Alltagsgegenstände und kreiert Objekte, Skulpturen und Rauminstallationen, in denen nicht selten Gleichgewicht ausgehandelt wird. Ute Heim nimmt die Betrachtenden mit auf die Reise, sowohl in ihren Gesangsperformances wie auch in ihren narrativen Installationen. Florian Lechner arbeitet im Wechselspiel von analogen und virtuellen Dimensionen und setzt sich so mit einer zunehmend digital durchdrungenen wie physisch entgrenzten Gegenwart auseinander.
Die Ausstellung Die Asymmetrie der Stille lädt ein, die vielschichtige Beziehung zwischen Raum, Gefühl und Wahrnehmung zu erkunden.
Elke Dreier
Elke Dreier ist bildende Künstlerin und hat ihr Studium an der Akademie der Bildenden Künste München als Meisterschülerin von Professor Olaf Nicolai abgeschlossen. 2017 erhielt sie ein Stipendium an der Fondazione Pastificio Cerere in Rom und wurde u.a. 2023 mit dem Kunstpreis der Stadt Kempten ausgezeichnet.
Florian Ecker
Florian Ecker ist Bildhauer. Er hat an der Akademie der Bildenden Künste München bei Professor Olaf Nicolai studiert, bei dem er auch Meisterschüler war. Er ist zudem Meister im Steinmetz- und Steinbildhauerhandwerk sowie Techniker für Steintechnik. Seine Werke wurden u.a. in Einzel- und Gruppenausstellungen gezeigt, zuletzt anlässlich des 250. Geburtstags Caspar David Friedrichs im Kunstverein Rügen.
Tina Haase
Tina Haase studierte Kunst an den Kunstakademien in Münster und Düsseldorf. Zahlreiche Ausstellungen in Deutschland, der Schweiz, Österreich, Spanien, Frankreich, Belgien, Niederlande, USA und Polen machten ihr Werk international bekannt. Sie erhielt neben zahlreichen Förderungen u.a. den Chargesheimer Preis der Stadt Köln (1992) und den Lighting Design Award 2023. 2004 wurde sie Professorin für Gestaltungslehre an der Hochschule Niederrhein im Fachbereich Design, Krefeld. Von 2007 bis 2024 war sie Ordinaria des Lehrstuhls für Bildende Kunst an der Technische Universität München.
Ute Heim
Ute Heim lebt und arbeitet als bildende Künstlerin und Musikerin in München und in der Prärie. Sie studierte von 2000 bis 2008 Freie Kunst/ Bildhauerei an der Akademie der Bildenden Künste München bei Prof. James Reineking und Prof. Stephan Huber. 1997 bis 2000 wohnte sie in England, trat als Jazzmusikerin auf und machte eine Lehre zur Geigenbauerin. Ihre Arbeiten wurden in einer Vielzahl von Ausstellungen im In- und Ausland gezeigt und mit zahlreichen Stipendien und Preisen honoriert.
Florian Lechner
Florian Lechner schloss 2012 das Studium der freien Kunst als Meisterschüler von Hermann Pitz an der Akademie der Bildenden Künste München ab und ist als bayerischer Kulturpreisträger mit Werken u. a. im Museum gegenstandsfreier Kunst Otterndorf und in den Bayerischen Staatsgemäldesammlungen vertreten. Er lehrt und forscht seit 2020 am Lehrstuhl für Bildende Kunst am Department of Architecture der TU München.
Cornelia Ahrens